Von Mechthild Grüger
Im Jahr 1928 erschien in London das Buch „Falsehood in wartime“ von Arthur Ponsonby.
Dieser wuchs auf Schloss Windsor auf, war später als Diplomat tätig und trat der Liberalen Partei bei, was in Anbetracht seiner adligen Herkunft äußerst ungewöhnlich war.
Als überzeugter Pazifist wechselte er mit Kriegseintritt Großbritanniens 1914 zur Labour Party, wo er führendes Mitglied im Oberhaus wurde.
In seinem Buch analysiert er 10 Methoden, mit denen in Deutschland, Frankreich, Italien, den USA und Großbritannien der Bevölkerung Wut, Angst und Hass eingeflößt worden war, um sie kriegsbereit zu machen.
Die 10 Methoden, die er herausgearbeitet hatte, wurden später von Anne Morelli, Professorin für Geschichte an der Uni Brüssel, auf die dem 1. Weltkrieg hin folgenden Kriege untersucht, beschrieben und anhand von Politiker- und Medienaussagen sowie Zitaten von in der Öffentlichkeit stehenden Persönlichkeiten verifiziert.
In ihrem 2001 erschienenen Buch „Die Prinzipien der Kriegspropaganda“ veranschaulicht sie diese anhand unzähliger Beispiele.
1) Wir wollen keinen Krieg
Alle Staatsmänner und -Frauen beteuern, keinen Krieg zu wollen. Die eigenen friedlichen Absichten und Friedensbemühungen werden immer wieder aufs Neue betont.
2) Das feindliche Lager trägt die alleinige Schuld am Krieg
Die Kriegspartei erklärt entweder, dass sie zur Kriegserklärung gezwungen worden sei um Schlimmeres abzuwenden, oder um die Zerstörung der eigenen Werte und Freiheit zu verhindern und der eigenen Selbstvernichtung entgegenzutreten.
3) Der Feind hat dämonische Züge
„Für eine Gruppe von Menschen in ihrer Gesamtheit kann man nicht wirklich Hass empfinden, selbst wenn sie immer wieder als der “Feind“ präsentiert wird. Viel effizienter ist es, negative Gefühle auf den Führer des feindlichen Landes zu konzentrieren“. *
4) Wir kämpfen für eine gute Sache und nicht für eigennützige Ziele
„Kriegsfeder des Krieges ist in der Regel der Wille zur geopolitischen Vorherrschaft, verbunden mit ökonomischen Interessen. Für die öffentliche Meinung darf das jedoch nicht transparent gemacht werden.“ *
5) Der Feind begeht mit Absicht Grausamkeiten; wenn uns Fehler unterlaufen, dann nur versehentlich
Die eigene Armee wird immer als humanitär handelnde dargestellt. Bei der Darstellung von Grausamkeiten der gegnerischen Seite begnügt sich die Kriegspropaganda nicht mit tatsächlichen Vorfällen, sondern auch erfundenen. Vorwiegend handelt es sich hierbei um Gruppenvergewaltigungen, Mord, Misshandlung und Verstümmelung von Kindern.
6) Der Feind verwendet unerlaubte Waffen
Die angebliche Existenz unerlaubter Waffen versetzt die Bevölkerung in Angst und dient daher häufig als Rechtfertigung für Krieg. Während die eigenen Truppen den Krieg auf anständige Weise führen, weigert sich der Feind „die Regeln“ anzuerkennen.
7) Unsere Verluste sind gering, die des Gegners aber enorm
Die Propaganda muss die eigenen Verluste verschleiern und die des Feindes übertreiben, da sich die Bevölkerung eher einem siegreichen Anliegen anschließt.
8) Unsere Sache wird von Künstlern und Intellektuellen unterstützt
In allen Kriegen bedienen sich die Kriegsführenden der Unterstützung von Künstlern, Filmemachern, Werbeagenturen und Schriftstellern, um die eigenen Ziele zu unterstreichen.
„Wie jede Form der Werbung zielt auch die Propaganda vornehmlich auf Gefühle ab.“ *
9) Unsere Mission ist heilig
Einer heiligen Mission darf man sich nicht entziehen: Religionsführer*innen werden als Unterstützer*innen zitiert, teilweise wird auch ein Angriff auf die eigene Religion suggeriert. In neuerer Zeit werden „unsere Demokratie“ oder „unsere Zivilisation“ zu religiösen Werten erhoben.
10) Wer unsere Berichterstattung in Zweifel zieht, ist ein Verräter
Wer die vorher genannte Propaganda in Zweifel zieht, wird als Verräter abgestempelt. Jedes Hinterfragen von Fakten gilt als Komplizenschaft mit dem Feind und wird häufig als Hochverrat geahndet.
*3) Zit.: Anne Morelli „Die Prinzipien der Kriegspropaganda“ 2022, Seite 35
*4) Zit., ebd., Seite 45
*8) Zit., ebd., Seite 97Im Jahr 1928 erschien in London das Buch „Falsehood in wartime“ von Arthur Ponsonby.